Wissenschaft: Cody-M 2-4, Talasia

Diagnostik und Förderung für Grundschulkinder in Mathematik


Im Rahmen des vom BMBF geförderten CODY-Projektes haben sich Prof. Dr. Jörg-Tobias Kuhn und sein Team der Universität Münster mehrere Jahre intensiv mit digitaler Diagnostik und Förderung von Kindern im Rechnen beschäftigt.

Ihre Erkenntnisse finden sich in den Übungen von Meister Cody – Talasia sowie im CODY-M 2-4 Mathetest wieder.

In der aktuellen S3-Leitlinie zur „Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung“ wird Meister Cody – Talasia aufgrund dieses wissenschaftlichen Hintergrunds und der Studienlage für die Förderung empfohlen.

Der CODY-M 2-4 Mathetest ist in der Leitlinie an Rang 1 von 57 Testverfahren gelistet.

In einer Studie mit rechenschwachen Kindern zeigten sich im Anschluss an das Training bei starker Rechenschwäche vor allem Verbesserungen beim mathematischen Faktenabruf, Kinder mit geringer ausgeprägter Rechenschwäche zeigten außerdem Zuwächse in lehrplannahen Rechenfertigkeiten sowie mathematischen Vorläuferfertigkeiten. Verglichen mit (Warte-)Kontrollgruppen zeigten alle rechenschwache Kinder, die mit Meister Cody Talasia trainierten, schon während des Trainings substanziell größere Lernzuwächse in einem Lernverlaufstest. Der Effekt im Lernverlaufstest war auch noch drei Monate nach Trainingsende statistisch bedeutsam.


Hintergrund Dyskalkulie

Dyskalkulie (auch „Rechenstörung“) bezeichnet nach ICD-10 erhebliche Schwierigkeiten beim Erwerb grundlegender mathematischer Fertigkeiten, die nicht auf eine allgemeine Intelligenzminderung oder unangemessene Beschulung zurückgeführt werden können. Das bedeutet, dass ein Kind bei mathematischen Aufgaben deutlich schlechter abschneidet, als man es aufgrund des Alters und der gemessenen Intelligenz erwarten würde.

Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Kinder mit Dyskalkulie Schwierigkeiten mit basalen mathematischen Kompetenzen wie der Verarbeitung von Mengen, dem Schätzen oder dem Einprägen von mathematischen Fakten (z. B. des Einmaleins) haben. Die Dyskalkulie ist aber eine heterogene Störung, d. h. empirisch konnten Subtypen mit verschiedenen, teils altersspezifischen Profilen nachgewiesen werden (Bartelet, Ansari, Vaessen, & Blomert, 2014; Lyons, Price, Vaessen, Blomert, & Ansari, 2014; Szűcs, Devine, Soltesz, Nobes, & Gabriel, in press).

Auf theoretischer Seite existieren verschiedene Erklärungsansätze für das Zustandekommen einer Dyskalkulie, z. B. die Annahme einer beeinträchtigten Verbindung abstrakter und symbolischer Mengenrepräsentation (access deficit hypothesis; Rousselle & Noël, 2007), Schwierigkeiten bei der Verarbeitung exakter Mengen (defective number-module hypothesis; Butterworth, 2005), eine deutlich unpräzise kognitive Repräsentation großer Mengen (deficient approximate number system; Mazzocco, Feigenson, & Halberda, 2011), oder kognitive Defizite im Arbeitsgedächtnis (Geary, 2004). Um für ein Kind mit Dyskalkulie ein individuelles kognitives Profil zu erstellen, muss eine detaillierte Abklärung basaler mathematischer Kompetenzen sowie Rechenfertigkeiten erfolgen (Kuhn, Raddatz, Holling, & Dobel, 2013).

Etliche aktuelle Forschungsarbeiten konnten neuronale Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Dyskalkulie nachweisen. Im Gehirn sind unterschiedliche vernetzte Areale an der mathematischen Kognition beteiligt. Bei Kindern mit Dyskalkulie ist die Vernetzung dieser Areale geringer ausgeprägt (Kucian et al., in press). Außerdem gibt es Unterschiede in der Aktivität der zahlenverarbeitenden Gehirnareale. Ein Areal im posterioren parietalen Kortex, der intraparietale Sulcus (IPS), reagiert besonders sensitiv auf numerische Stimuli. Es konnte gezeigt werden, dass bei einer Mengenvergleichsaufgabe Kinder ohne Dyskalkulie die neuronale Aktivität im rechtshemisphärischen IPS an die Anforderungen der Aufgabe adaptieren, Kinder mit Dyskalkulie jedoch nicht (Mussolin et al., 2010).

Diagnostik

Meister CODY bietet einen computergestützten Test (CODY-Mathetest (CODY-M 2-4)) an, der vier relevante Aspekte erfasst: einfache Zahlenverarbeitung, komplexe Zahlenverarbeitung, Rechenfertigkeiten und Arbeitsgedächtnis. Für Kinder mit Förderbedarf in Mathematik durch eine Dyskalkulie wird zudem ein computergestütztes Training (CODY-Mathetest (CODY-M 2-4)) angeboten, das sich in der Schwierigkeit optimal an das individuelle Kind anpasst.

CODY-Mathetest (CODY-M 2-4)

Im Folgenden werden einige Informationen zum CODY-Mathetest (CODY-M 2-4) gegeben. Der CODY-Mathetest (CODY-M 2-4) eignet sich für Kinder der zweiten bis vierten Klasse.


Stichprobe

Insgesamt N = 1.175 Grundschulkinder aus dem gesamten Bundesgebiet (Klassen 2-4, mittleres Alter 107.3 Monate, SD Alter = 10.4, 663 Mädchen) wurden zwischen September 2012 und September 2013 mit dem CODY-Mathetest (CODY-M 2-4) untersucht. Diese Kinder bilden die Normstichprobe. Alle Kinder absolvierten zusätzlich diverse Tests zur Kriteriumsvalidierung (z. B. den Heidelberger Rechentest HRT 1-4; Haffner, Baro, Parzer, & Resch, 2005). Eine Substichprobe (N = 101) bearbeitete den Test im Abstand von zwei Wochen zweimal zur Bewertung der Retestreliabilität.


Subtests

Jeder Subtest des CODY-Mathetest (CODY-M 2-4) wird mittels auditiv dargebotener Instruktion (per Kopfhörer) sowie Beispielaufgaben instruiert und hat ein Zeitlimit.


Ergebnisse

Eine konfirmatorische Faktorenanalyse mit vier Faktoren (Daten Normstichprobe) ergab einen guten Modellfit (s. Abbildung). Die Subskalen des CODY-Mathetest (CODY-M 2-4) wurden folgendermaßen gebildet:

Einfache Zahlenverarbeitung (CM): Zählen (DE), Mengenvergleich (MCS, MCM) Komplexe Zahlenverarbeitung (NP): Zahlendiktat (TR), Zahlensteine (NS), Zahlenstrahl (NL), fehlende Zahl (MN) Rechnen (CL): Rechnen (AD, SU, MU, PH) Arbeitsgedächtnis: Matrixspanne (MS)

Die Retestreliabilität war gut (rtt = .88). ROC-Analysen zeigten gute bis zufriedenstellende Klassifikationsgenauigkeiten (Cutoffs PR5 HRT 1-4, PR25 CODY-Test: Sensitivität = .76, Spezifität = .81, Ratz-Index = .68, AUC = .875).

Förderung (Meister Cody – Talasia)

Das CODY-Training fokussiert auf Aspekte der Zahlen- und Mengenverarbeitung, deren Beeinträchtigung zu einer Rechenschwäche (Dyskalkulie) führen kann, wie Zahlen-Mengen-Verknüpfung, Teil-Ganzes-Verhältnis, Zahlenraumvorstellung, Relationalzahlbegriff, Faktenabruf, (Quasi-)Simultanerfassung, Verständnis des Stellenwertsystems, Transkodieren. Gegenwärtig umfasst das Training 19 verschiedene Aufgaben.

Eine erste Version des CODY-Trainings mit vier zentralen Trainingsaufgaben wurde in einer kontrollierten Studie evaluiert. Insgesamt gab es drei Gruppen: (1) CODY-Training, (2) Training zum induktiven Denken, (3) Wartekontrollgruppe.

Das CODY-Training bestand aus vier Trainingsaufgaben: fallende Formen, verrückte Karten, Mengenvergleich, schnelles Rechnen. Bei „fallende Formen“ musste eine Zahl bzw. Menge korrekt an der richtigen Stelle des Zahlenstrahls (0-20 bzw. 0-100) positioniert werden. Bei „verrückte Karten“ mussten die Kinder drei Mengen bzw. Zahlen korrekt auf dem Zahlenstrahl unten am Bildschirm positionieren.

Bei der Trainingsaufgabe „Mengenvergleich“ ging es darum, so schnell wie möglich die größere Menge zu bestimmen, wobei strukturierte Mengen, Zahlen, und einfache Rechenaufgaben zu vergleichen waren. Die Aufgabe „schnelles Rechnen“ erforderte die schnelle Lösung einer einfachen Rechenaufgabe, die zunächst in strukturierter Mengenform, später in Zahlenform dargeboten wurde (s. Abbildungen).

Das computergestützte, induktive Denktraining fokussierte darauf, die Gleichheit oder Verschiedenheit von Merkmalen oder Relationen zu erkennen (Klauer, 1989). Zusätzlich wurden lateinische Quadrate als Trainingsaufgaben eingesetzt (Zeuch, Holling & Kuhn, 2011).


Stichprobe

Eine Gruppe von Kindern mit Dyskalkulie (mittleres Alter: 103 Monate, 44 Mädchen; ZAREKI-R T-Wert ≤ 38, IQ WISC-IV ≥ 80, Leseflüssigkeit SLS 1-4 T-Wert ≥ 38) wurde zufällig einer der drei Gruppen zugeordnet. N = 23 Kinder bearbeiteten das CODY-Training für 30 Tage, die Trainingsdauer lag bei 20 Minuten pro Tag. Eine zweite Gruppe von N = 17 Kindern absolvierte 30 Tage lang ein Training induktiven Denkens. Die dritte Gruppe (N = 19) diente als Wartekontrollgruppe.


Messinstrumente

Vor und nach dem Training wurden der CODY-Mathetest (CODY-M 2-4) sowie der HRT 1-4 (Subtests Addition und Subtraktion) durchgeführt. Eine Substichprobe (N = 17 CODY, N = 17 Denktraining) nahm vor und nach dem Training an einem Experiment zur Messung der Gehirnaktivität bei der Zahlenverarbeitung teil. Zur Ermittlung der Gehirnaktivität wurde Magnetoenzephalographie (MEG) verwendet. Beim MEG-Experiment sollten die Kinder entscheiden, ob eine auf dem Bildschirm dargebotene Zahl größer oder kleiner als eine Referenzzahl war (Referenzzahlen Experiment A: 5, Experiment B: 50, Experiment C: 55; Zahlenraum Experiment A: 1-4, 6-9, Experiment B: 10-40, 60-90, Experiment C: 51-54, 56-59). Beim MEG-Experiment wurde systematisch manipuliert, ob die Distanz zwischen gezeigter und Referenzzahl groß oder klein war (z. B. Experiment A: Distanz groß 1-2, 8-9, Distanz klein 3-4, 6-7).


Ergebnisse

Die CODY-Gruppe zeigte einen substanziellen Anstieg im HRT, verglichen mit den beiden anderen Gruppen, t(56) =3.22, p = .002 (s. Abb. unten, linke Seite). Auch die Präzision bei der Zahlenstrahlaufgabe war bei der CODY-Gruppe im Posttest deutlich höher als in den beiden anderen Gruppen, t(56) = 2.67, p = .010. Im Gegensatz dazu verbesserte sich die Denktraining-Gruppe substanziell in der Zähleffizienz, t(56) = 3.19, p = .002.

Die MEG-Ergebnisse zeigten, dass sich die neuronale Aktivität im rechtshemisphärischen parietalen Cortex in der CODY-Gruppe im Vergleich zur Denktraining-Gruppe (bei 210-240ms) signifikant verringerte, F(2, 26) = 3.39, Wilks‘ Λ = .79, p = .049 (s. Abb. unten, rechte Seite). Dieses Ergebnis deutet auf eine effizientere neuronale Verarbeitung numerischer Inhalte hin.